Im Alter von 15 Jahren war für mich klar, dass ich unbedingt nach der Matura im Ausland leben möchte. Auch wo ich dieses Jahr verbringen will, wusste ich sofort. „The british culture“ hat mich schon immer sehr beeindruckt und deshalb ging meine Bewerbung an eine Familien in England, da Au-Pair ein sinnvoller Weg schien, ohne großen Kostenaufwand ins Ausland zu gehen.
Die Suche war sehr anstrengend, aber ich ließ mich nicht unterkriegen und als ich dann einen Monat später als geplant meine Familie gefunden hatte, ging es für mich auch schon gleich los – nach Croydon , dem im Süden liegenden, bevölkerungsreichsten Stadtteil Londons.
Als mich meine Gastmama vom Bahnhof abholte, war mir noch nicht klar, dass so einige unerwartete Dinge auf mich zukommen würden. Sie, meine Gastmama, und ihre drei Töchter, sowie ihr ehemaliges Au-Pair empfingen mich sehr herzlich. Das Haus war ein typisches Haus Englands und auf den ersten Blick passte alles sehr gut. Doch als der Arbeitsalltag losging, wurde mir bald klar, dass ich mehr arbeiten musste, als zuvor ausgemacht war. Aus gelegentlichen Sonntagen, meine Gastmama war von Beruf Krankenschwester, wurden zwei Sonntage pro Monat, und dabei hatte ich die drei Kinder den ganzen Tag, also zwölf Stunden zu betreuen. Auch unter der Woche kam sie öfters später nach Hause, als wir vereinbart hatten. Ich verbrachte sehr gerne Zeit mit Sofia, Bella und Maddie, aber ein bisschen mehr Freizeit hätte mit gut getan. In sehr stressigen Wochen arbeitete ich 45 Stunden und bekam 85 Pfund. Das ist ein Stundenlohn von 2,50 €.
Einer der aufregendsten und stressigsten Momente als Au-Pair war, als ich mit der Jüngsten und Ältesten im Garten Ball spielte. Die Mittlere, eine kleine Dramaqueen, rannte in das Haus und sperrte die Terrassentür zu. Ich stand mit zwei Kindern vor verschlossener Tür, die Gastmama hatte Nachtschicht und vom Garten aus kam man nicht zur Haustür – das war ein großer Stress. Doch zum Glück konnte ich Bella gut zureden und schließlich ließ sie uns nach sehr langen 20 Minuten und anstrengenden Verhandlungen unter bestimmten Bedingungen wieder ins Haus. Im Nachhinein betrachtet ist das als eine sehr witzige Geschichte, doch damals war es eines der schlimmsten Erlebnisse in meiner Zeit als Au-Pair.
Das klingt jetzt vielleicht so, als ob all das mein Aufenthalt getrübt hätte, das hat es aber definitiv nicht. Ich durfte so viele nette Menschen kennen lernen, mit denen ich auch noch jetzt in Kontakt bin, ich konnte das Großstadtleben genießen und eine Sprache fließend sprechen lernen. Ich bekam einen sehr privaten Einblick in ein Familienleben einer Alleinerzieherin, die es nicht immer leicht hatte, deren Töchter aber doch glücklich waren, weil sie zusammen lebten und es immer sehr lustig hatten. Meine Gastmama sagte immer „That’s life how it is, it is not always easy, but worth it“. Es gibt immer Up’s and Down’s. Man darf sich nur nicht von den Down’s unterkriegen lassen und das wurde mir vor allem durch meine Gastmama Pippa klar.
Wenn man sich dafür entscheidet, ins Ausland zu gehen, ist die Möglichkeit zu reisen ein weiterer riesiger Pluspunkt. Ich lernte viele neue Städte in Großbritannien kennen und hatte einen ganz anderen Zugang, weil ich ja in diesem Land lebte. Wenn man offen ist und versucht öfters mal „Ja“ statt „Nein“ zu sagen, kann man nicht viel falsch machen und hat ganz bestimmt eine tolle Zeit.
Rückblickend kann ich über die „schlimmen“ Ereignisse lachen, denn durch alle diese unerwarteten Erfahrungen konnte ich ja schließlich auch etwas für mein späteres Leben mitnehmen. Ich fing an, alles irgendwie positiv und als Erfahrung zu sehen, und so nahm ich es nicht zu schwer und ernst und verbrachte eines der besten Jahre meines jungen Lebens in einer neuen Stadt mit tollen Freunden.
Wenn man im Ausland ganz auf sich alleine gestellt ist, man sich in einer Fremdsprache verständigen und ein ganz neues Leben aufbauen muss, ist das auf den ersten Blick nicht ganz leicht, doch auch nicht so schwer, wie man es sich vielleicht vorstellt. Ich hatte auch Bammel davor, für so lange Zeit von zu Hause wegzubleiben, doch ich wusste, dass ich es später bereuen würde, wenn mich diese Angst davor zurückhält, Risiken einzugehen, das Leben zu genießen und neue Dinge zu erleben. Es kostete mich eine Menge Mut, mich am Flughafen von meinen Eltern zu verabschieden und in dieses Flugzeug zu steigen. Am liebsten wäre es mir gewesen, wieder nach Hause zu fahren und alles so zu belassen, wie es war. Doch dieser Gedanke hielt nicht so lange an, wie ich befürchtet habe. Es kam so viel Neues auf mich zu und nach ca. zwei Wochen war das Heimweh weg und ich konnte meinen Aufenthalt in vollen Zügen genießen.
Ich kann so einen Auslandsaufenthalt nur empfehlen, vor allem nach der Matura. In dieser Zeit ist man am unbeschwertesten und lernt sich selbst neu kennen. Man darf nicht glauben, dass alles perfekt verläuft und immer alles super ist, doch das, was man daraus mitnehmen darf, lässt alles Schlechte in den Hintergrund treten und wenn ich jetzt an diese acht Monate zurück denke, kann ich nur sagen, dass ich alles genau wieder so machen würde!