Über einen weiteren Jänner im Süden, französische Chocolatines und meine Neun-Quadratmeter-Quarantäne
Es gibt wieder was zu erleben und ich habe mir gedacht, ich nehme euch mit. Nicht, dass in den letzten zwei Jahren nichts Spannendes passiert wäre. Aber irgendwie habe ich mich dann zwischen Zukunftszweifeln und Studienwechseln, Studieren, mehreren Reisen und der Pandemie doch nur noch selten dem Schreiben gewidmet. Die Geschichten wären vorhanden gewesen, aber der Wille und die Zeit fehlten. Ich habe genau diese (Orts-)Veränderung gebraucht, um wieder mit dem Schreiben zu beginnen.
Toulouse. Schon wieder hat es mich nach Frankreich gezogen. Naja, durchs Französisch-Studium war ein Erasmus-Auslandssemester in diesem Land nicht ganz abwegig. Diese Wahl ist schnell gefallen, Toulouse war mehr Zufall und ein ‚Why not‘ als ein langersehnter Traum. Und ich könnte nicht glücklicher damit sein. Aber vielleicht fange ich mal von vorne an und erzähle ein bisschen was von meinem ersten Monat hier – für alle, die meine Erlebnisse noch nicht geschildert bekommen haben und für alle, die sich das Ganze gerne ein zweites Mal anhören.
Back to the start
Alles beginnt im März 2021. Damals bekam ich die Zusage, dass ich einen Studienplatz für das Sommersemester 2022 an der Université Jean Jaurès in Toulouse bekommen habe. Meine Freude war übergroß – ich würde ein Erasmussemester machen! Die Zeit verging schneller als gedacht und bald schon war es Mitte Dezember. (Über all die zwischenzeitlichen Hürden und Aufgaben wird’s mal einen eigenen Blogbeitrag geben.) Mein Zimmer in Wien war vermietet, mein Studentenwohnheimkämmerchen mit 9m2 in Toulouse gebucht, ein paar Taschen waren auf dem Weg nachhause und zwei Kisten sind per U6 zu Carla geschleppt worden. Quasi alles erledigt, jetzt mussten nur noch die letzten Koffer gepackt werden. Auch ein letzter Abschiedsspaziergang zum Schönbrunn war drin, immerhin würde ich erst in 8 Monaten wieder nach Wien kommen. Gemeinsam mit Tabea und Vanessa hatten wir einen letzten WG-Abend – wer weiß, wann wir das nächste Mal zu dritt in Wien zusammensitzen?
Ich verließ Wien ein bisschen traurig, aber voller Vorfreude und mit ein bisschen Respekt vor allem Neuen, das mich erwarten würde. Nachdem ich Weihnachten und den Schnee, die Zeit mit Freund:innen und Familie zuhause genossen hatte, hieß es Abschied nehmen. Mama und Däta brachten mich am 8. Jänner (auf den Tag genau 3 Jahre nach meinem Abflug nach Madeira) nach Bregenz. Diesmal wartete eine längere Busfahrt auf mich. 21 Stunden würde ich über Mailand quer durch Frankreich fahren. Ein schnelles Verabschieden und dann war ich schon auf dem Weg ins neue Abenteuer. Au revoir, Autriche – salut, la France!
Eine ausführliche Schilderung meiner Busfahrt erspare ich euch, ich sage nur: Viel Schlaf gab’s nicht, dafür kenne ich jetzt einige Raststätten Italiens und Frankreichs – mehr als ich je kennen wollte – und weiß, dass der Hintern nach 21 Stunden Sitzen ganz schön wehtun kann. Angekommen bin ich übrigens im Regen, mit Wetterwarnung und gefühlten 100kg Gepäck… so viel zu „ich wohn dann im Süden“.
Aller Anfang ist: überladen, stressig und aufregend. Und schön.
Für die erste Woche hatte ich ein Appartement gemietet, denn ich konnte noch nicht ins Studentenwohnheim. Nach anfänglichen kleineren und größeren Schwierigkeiten gewöhnte ich mich langsam ein. Die ersten zwei Wochen hatte ich noch Online-Uni und Online-Prüfungen von meinen Studien in Wien (dort endet das Wintersemester erst Ende Jänner und in Frankreich beginnt das Sommersemester schon Mitte Jänner). Ansonsten war viel zu organisieren, mein neues (Uni)Leben hier kennenlernen, Stundenplan zusammenstellen, hundert Mal mein Learning Agreement (das wichtigste Erasmus-Dokument) ändern und immer wieder gab es neue bürokratische Herausforderungen.
Aber zusätzlich dazu füllte sich mein Leben hier auch mit neuen Menschen, Sprachen, Erlebnissen und schönen Momenten. Ich begann die Stadt zu entdecken und zu lieben – Toulouse ist wirklich wunderschön (und noch erstaunlich kalt im Jänner!). Wir gingen bouldern, libanesisch essen, trafen uns auf Kaffees und Bier, hatten Filmeabende und kochten gemeinsam, lernten einige Bars kennen und unterhielten uns mit einem Mix aus Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch, meist all at le même tiempo.
Ein Beginn bringt immer viele Herausforderungen und Chaos, hat aber auch was Magisches. Zwei rote Striche zeigten dann das abrupte Ende dieser Anfangs-Erasmus-Magie an: mein morgendlicher Corona-Test war positiv. Eine Überraschung, aber gleichzeitig auch nicht wirklich, denn so viele Leute wie in den ersten zwei Wochen habe ich die letzten zwei Jahre nicht kennengelernt. Also tja, deshalb hieß es nun auch für mich: it’s time to quarantine!
Quarantäne in einem fremden Land, das hätt‘ ich mir auch sparen können, dacht ich mir anfangs. Keine Infos, was jetzt zu tun war, wer, wie, wo, was bitte? Was heißt nochmal dies auf Französisch, muss ich meine Uni kontaktierten, bekomm ich gratis Tests mit meiner E-Card? Und von der Teststruktur in Frankreich wollen wir mal gar nicht anfangen. Aber statt der Sorgen, die ich mir anfangs machte – und viele andere von euch – bleiben mir vor allem die Hilfsbereitschaft und die Fürsorge von allen in Erinnerung. Family und Freunde von zuhause erkundeten sich liebenswerterweise besorgt: „Wie geht’s dir?“ und „Hast du Hilfe?“. Und ja, definitiv. Egal wie lange ich die Menschen schon kannte, ob eine Woche oder nur einmal kurz angesprochen in der Uni, sie alle wären zur Stelle gewesen, wenn ich etwas gebraucht hätte. So viele boten mir an, einkaufen zu gehen oder Medikamente zu besorgen, auch die Mitschriften und Notizen von den Uni-Kursen bekam ich alle, obwohl ich mit den meisten wahrscheinlich zuvor nicht länger als fünf Minuten geredet hatte. Ich wurde gut versorgt von Pauli, die mit mir im Studentenheim wohnt (bis sie auch Corona bekam – von mir), Frühstück und Wärmeflasche inklusive. Ich habe mich trotz meines körperlichen Alleinseins im 9m2-Zimmer nie wirklich einsam gefühlt, es war immer jemand zur Stelle für ein Gespräch/Telefonat/Videocall, egal ob Vorarlberg, Wien, Dänemark, Italien oder hier. Merci dafür!
Wieder eine ins Leben!
Natürlich war die Zeit trotzdem ermüdend und ich war froh, nach einer Woche wieder draußen spazieren gehen, in die Uni fahren und wieder Leute treffen zu können. Dementsprechend vollgepackt waren die anschließenden zwei Wochen, denn es gab einiges zu erleben und entdecken.
Wir verbrachten einen Abend beim Festival des Lanternes in einem der Vororte von Toulouse, was unerwarteterweise richtig cool war, fast jeden Dienstag gings zum Café des langues im Le Tchin, um anfangs noch voll motiviert Französisch und mit jeder weiteren Stunde auf der Uhr (und jedem weiteren Bier) immer mehr Englisch zu sprechen. Wir gingen tunesisch essen und machten Crêpes, gönnten uns Chocolatines (= toulousien für Pain au Chocolat) und trainierten das Ganze wieder beim Bouldern ab. Und natürlich wartete auch jede Woche wieder die Uni auf mich, inklusive Sonnenaufgang dank 8 Uhr Vorlesung am Dienstagmorgen…
Das letzte Wochenende meines ersten Monats machten Pauli, Tim, Manu und ich einen Ausflug nach Narbonne, ca. 1 h mit dem Zug entfernt. Das Städtchen war echt schön, klein und genau perfekt für einen Tag. Wir genossen die Sonne (und den Wind eher weniger), schlenderten durch die kleinen Gassen und über den Markt, bestaunten Kunst im Museum und die Aussicht von hoch oben. Wir probierten uns bei „Yvette“ durch Secondhand-Kleider und wurden auch fündig, bekamen von zwei Weihnachtsmännern Süßigkeiten geschenkt und entdeckten Froschschenkel im Supermarkt. Vor allem aber hatten wir sehr viel Spaß.
Ein stetiges Auf und Ab, ein Abenteuer und ein Monat voller Leben und Erleben, das war mein erster Erasmusmonat. Ich bin glücklich und dankbar, hier zu sein und all das erleben zu können und freu mich schon auf alles, was noch kommt. In diesem Sinne: bis ganz bald!