Blaukraut bleibt Blaukraut
Dank eines am BG Dornbirn angebotenen Austausches mit einer Partnerschule in der armenischen Stadt Gyumri, im Rahmen eines UNESCO – Projektes, durfte unsere sechsköpfige Gruppe eine Woche lang in die armenische Kultur und Sprache abtauchen. Wir fünf SchülerInnen und unserer Organisatorin Frau Prof. Schmölz waren in Gyumri bei Schülerinnen in unserem Alter untergebracht, die schon im Jahr davor nach Österreich gekommen waren. Sie konnten damals bereits mit ihren wirklich tollen Deutschkenntnissen glänzen und überhäuften uns mit armenischen Süßigkeiten. Deswegen, und natürlich vor allem wegen ihrer Herzlichkeit, konnten wir es kaum erwarten, sie in Armenien besuchen zu können. Um dies alles zu ermöglichen, verkaufte unser Team zuvor unzählige Muffins und schrieb wohl ebenso viele Anfragen an Sponsoren.
Das Abenteuer selbst begann dann um halb fünf abends vor dem BG Dornbirn. Von dort wurde unsere Truppe zum Flughafen nach Zürich chauffiert, wo wir nur fünf Minuten zum Ausladen des Gepäcks hatten. Nachdem wir diese Hürde gemeistert hatten, schafften wir es ohne Probleme nach Wien, um von dort nach Yerevan, der armenischen Hauptstadt, weiterzufliegen. Nach vier anstrengenden, großteils schlaflosen Flugstunden empfingen uns um vier Uhr morgens mehrere armenische Schülerinnen, die armenische Lehrerin Lusine Ikilikyan und der Busfahrer mit Plakaten und Luftballons sehr herzlich. Darauf folgte eine zweieinhalbstündige Fahrt nach Gyumri in einem Kleinbus, auf der wir aufgrund der speziellen Straßenverhältnisse reichlich hin und her geschüttelt wurden und keinen Schlaf fanden. Zudem schreckten wir immer wieder auf, um uns anzuschnallen: Unsere übermüdeten Gehirne brauchten ihre Zeit, bis sie verstanden, dass man dies hier nicht zu tun brauchte.
Ab dem nächsten Tag verbrachten wir fünf wunderbare Tage in Gyumri, die mit Besichtigungen jeder Art vollgepackt waren. Gegen Mittag am ersten Tag trafen wir uns im Gymnasium Nummer 3. Sogleich wurden wir herumgeführt und lernten die Schule von innen kennen. Wir waren sehr erschrocken über den Zustand der Turnhalle, die nur notdürftig eingerichtet war und kurz vor dem Zerfall stand. Danach spazierten wir über den Markt, auf dem von Schweinsköpfen bis zu lebendigen Fischen alles zu finden war. Die vielen verschiedenen Kaffee- und Gewürzdüfte betörten unsere Sinne, sodass wir uns sogleich mit Kaffee eindecken mussten. Die armenische Währung Dram lässt sich in Österreich zwar in allen Banken bestellen, jedoch kann sie nur in der österreichischen Nationalbank wieder zurück in Euro gewechselt werden. Deswegen konnten wir unser Geld direkt in einem Ständchen beim „Bazar“, umwechseln, in dem wir mithilfe der armenischen Schülerinnen angeblich den besten Kurs überhaupt bekamen. Unser leichtes Unwohlsein bezüglich der Legalität des Geldwechsels wurde mit einem Bonbon besänftigt, welches uns der Inhaber persönlich überreichte.
Kulinarisch wurde uns überhaupt sehr vieles in Gyumri geboten: Traditionelle armenische Süßspeisen, viel Lavash, ein typisches armenisches Fladenbrot, armenische Pizza, ein Besuch in einem Fischrestaurant und sonstige armenische Gerichte, die unsere Gruppe sogar selbst zubereitete, wobei die armenischen Schülerinnen trotz Betörungen, wie gut wir die klassischen „Tolmas“, Hackfleisch mit Weinblättern umhüllt, kochten, sich hin und wieder ein Grinsen in unsere Richtung nicht verkneifen konnten. Dafür unterhielten wir uns über die landestypischen Sprichwörter. Beim Versuch einer armenischen Schülerin „Blaukraut bleibt Blaukraut“ zu sagen, brachen wir gemeinsam mit ihr in Lachen aus. Doch auch uns erging es nicht besser, denn Armenisch ist eben eine sehr schwierige Sprache. 🙂
Zahlreiche Klöster und Kirchen standen ebenfalls auf unserem Besichtigungsplan. Jedes einzelne Gebäude war wunderschön, meist auch schon sehr alt, immer noch in Betrieb. Sie sind es wirklich wert, bestaunt zu werden. Genauso wie die armenischen Bräuche es wert sind, sie mitzumachen. So sollte man für lebenslanges Glück dreimal um eine armenische Kapelle, die sich etwas erhöht nahe Gyumri befindet, laufen, ein Kleidungsstück an einem Baum hängen lassen und dreifach durch den nebenan befindlichen Lochstein für die Erfüllung eines Wunsches klettern. Für einen unserer Schüler wurde das Glück jedoch zum Unglück, denn beim Versuch, den Lochstein zu durchklettern, gab dessen Handy nach einigen Kratzern zu viel den Geist auf. Doch die besten Handyreparateure in ganz Gyumri brachten es wieder zum Funktionieren.
Weniger gefährlich waren unsere Versuche, armenische Tänze mithilfe von Arshak, einem armenischen Tänzer und Freund von Frau Ikilikyan, einzustudieren. So viel Spaß wie es uns machte, so schnell erkannten wir, dass wir leider nie MeisterInnen darin werden würden. Zusätzlich nahm uns Arshak mit zu einem großen Tanzwettbewerb, der in einem großen Theater stattfand. Die besten Tanzgruppen aus Armenien und den Nachbarländern boten dort ihr Können dar und führten uns vor Augen, wie wenig wir bisher gelernt hatten.
Was ich allerdings gelernt habe, ist, bei einem Treffen mit dem gyumrischen Bürgermeister nie und unter keinen Umständen Kaugummi zu kauen, außer man will wohl gleich des Landes verwiesen werden. Diesen besuchten wir in seinem Palast mit riesigem Kronleuchter, dem Rathaus. Jenes stand in großem Kontrast zu den Straßen und Gebäuden ringsum. Seit dem Erdbeben vor fast 30 Jahren wurden zum Teil einige Gebäude in der Umgebung, aber vor allem jene außerhalb der Innenstadt noch nicht komplett wiederaufgebaut.
Armut und Herzlichkeit
Wirklich eindrücklich war der Besuch in „Emils kleiner Sonne“. In diesem von Österreichern entworfenen und geplanten Tageszentrum werden Kinder mit Behinderung liebevoll betreut und gefördert. Die Herzlichkeit dieser Kinder lockte uns ein Strahlen ins Gesicht. Doch wir lernten auch die anderen Seiten Gyumris kennen. Vor den Toren der Stadt leben Menschen verlassen in abbruchreifen Häusern, die von sehr kleinen Renten oder praktisch nichts Kinder ernähren müssen. Frau Ikilikyan und ihre SchülerInnen bringen ihnen regelmäßig Nahrungsmittel und das Nötigste. Obwohl unser Besuch angekündigt war, kamen wir uns wie Eindringlinge in fremden Leben vor. Tief berührt von deren Situation, gaben wir unser restliches Geld am Ende der Reise der armenischen Schule, um weiterhin etwas Hilfe für diese Menschen leisten zu können.
Nach fünf Tagen hieß es dann Koffer packen für die österreichischen SchülerInnen und deren Gastge-schwister, die nun gemeinsam nach Yerevan weiterfahren würden. Wir mussten uns also leider schon viel zu früh von unseren Gastfamilien verabschieden, die uns mit viel, viel Essen und mindestens doppelt so viel Herzlichkeit beschenkt hatten. Auch von Gyumri selbst fiel uns der Abschied schwer. Und so schworen wir uns zum wiederholten Male, unbedingt wiederzukommen.
Von der zweistündigen Fahrt mit unserem Bus vom Treffpunkt vor dem Gymnasium in Gyumri bis zu unserem nächsten Stopp knapp vor Yerevan blieben uns neben der Landschaft und den außergewöhnlichen Straßenverhältnissen vor allem zwei Dinge im Gedächtnis. Zum einen war das der Blick auf den beeindruckenden 5137 Meter hohen Vulkan Ararat. An dem soll, wie wir sogleich erfuhren, die Arche Noah einst gestrandet sein. Deshalb nennen ihn die Armenier „Mutter der Erde“ und wird als Nationalsymbol bezeichnen, obwohl er mittlerweile auf türkischem Staatsgebiet liegt. Und zum anderen ein ausgeklügeltes System im Bus, das den Fahrer mittels Pieps-Geräuschen vor Polizeikontrollen warnte. Nach einem weiteren Klosterbesuch sahen wir uns noch ein Denkmal und ein Museum an, welches an den Genozid an den Armeniern erinnert und uns sehr berührte. Später stärkten wir uns in einer Art Baumhaus-Restaurant, bevor wir in Yerevan ankamen.
Schon zuvor war uns der große Unterschied zwischen Gyumri und Yerevan prophezeit worden, nun aber sahen wir mit eigenen Augen, wie verschieden ein Land sein konnte. Nachdem wir unser Gepäck in unserem Hostel „Envoy“ abluden, welches zentral liegt und sehr empfehlenswert ist, liefen wir an teils sehr teuren Geschäften vorbei. Das „Old Erivan“, hat mehrere Stockwerke und bietet unter anderem einen Club, eine Karaoke-Bar und mehrere Restaurants. Wir genossen zuerst den schönen Ausblick aus dem Restaurant im 6. Stock und gingen dann ein Stockwerk tiefer, um Karaoke zu singen. Später tanzten wir noch ausgiebig oder ließen einfach die Eindrücke der großen Stadt auf uns wirken.
Der nächste Tag bildete den Abschluss der Armenienreise. Und weil wir noch so viel wie möglich erleben wollten, war unser Programm dementsprechend dicht gepackt. Früh am Morgen holte uns der Bus ab und wir machten uns auf in Richtung eines Klosters und eines schön gelegenen Tempels in den Hügeln weit vor Yerevan. Danach besichtigten wir den Sevansee, der aufgrund seiner wunderbaren Lage das Hauptreiseziel der Armenier selbst ist.
Nach den interessanten Ausflügen wurden wir direkt in Yerevan vor dem „Grand Candy“- Shop abgeladen, in dem es fast alles gab, was das Herz einer Naschkatze begehrte. Mit einer leckeren Mahlzeit im Bauch genossen wir den nächtlichen Ausblick über die beleuchtete Stadt von einem erhöhten Plateau, das wir über unzählige Stufen erreichten. Zuletzt genossen wir ein Getränk in einem Café, bevor wir auch schon zum Flughafen aufbrechen mussten. Der Abschied forderte einige Tränen, denn dieses Land und vor allem die Leute, die dort leben, waren uns ganz besonders ans Herz gewachsen. Schweren Herzens und doch erfüllt von der Wärme dieses Landes stiegen wir um ca. 5 Uhr in der Nacht in unseren Flieger, der uns wieder in die Heimat brachte.
Der Blog unseres Austausches: https://dornbirngyumri.wordpress.com/