Man glaubt es kaum: Auch während Corona sind Freiwilligeneinsätze über das Europäische Solidaritätskorps (ESK) möglich!
Mich verschlug es diesen Sommer, recht spontan, aber dank den Kontakten und der tatkräftigen Unterstützung des aha, nach Rumänien zu einem Kurzzeitprojekt von ganz spezieller Art. Die „American International School of Transylvania“ (kurz: AIST) lud ganze 20 (!!) internationale sowie rumänische Freiwillige ein, sich für zwei Monate nach Baia Mare, Maramureș, Rumänien, zu begeben, um mit Kindern und Jugendlichen der Region zu arbeiten und sich für soziale Inklusion einzusetzen. Warum denn nicht?
Am 3. Juli hieß es für mich also: Maske rauf und „Auf los geht’s los!“.
Nach einer recht skurrilen Anreise à la COVID19 mit missachteten Abstandsregelungen, Leuten mit Mund(-ohne)-Nasenschutz, verspätetem Flieger und einer zweistündigen Minibusfahrt mitten in der Nacht, von „Manele“-Rhythmen beschallt, gelangte ich schließlich nach Baia Mare (dt.: „Großes Badezimmer“ – oder: eine Kleinstadt im Norden Rumäniens).
Das Projekt
Der Pandemie wegen lief ein großer Teil des Programms online ab, soll heißen über Zoom, Facebook, Messenger etc. Dies wussten wir bereits. Was das in der Praxis hieß, wurde uns Freiwilligen aber erst während der ersten beiden Wochen bewusst: Durchschnittlich sechs Stunden Zoomsitzung pro Tag, fünf Tage die Woche, 14 Tage lang – kurz: ein virtuelles Bootcamp, in dem wir uns auf die Arbeit online sowie offline mit den Kindern und Jugendlichen von 4 bis 18 Jahren vorbereiteten. Bei den Aktivitäten drehte sich alles um „non-formal education“, wo also der Spaß an der Sache und weniger das Lernen im Vordergrund stand. Und Spaß über Zoom zu haben stellte sich als echte Herausforderung dar: Zweimal die Woche gestalteten wir eine Stunde online über ein uns zugeteiltes Thema (in meinem Fall: Austria). Die Kinder konnten sich freiwillig dafür anmelden, also versuchten wir, alles so interaktiv wie möglich zu gestalten – mit Online-Spielen, Videos, Bewegungsübungen und allem, was dazu gehörte. Obwohl die Kinder (die, die tatsächlich zu den Stunden erschienen) gut mitmachten, ließen sich die einen oder anderen Probleme mit der Technik nicht verhindern – funktionslose Kameras oder Mikros und Internetschwierigkeiten gehörten zur Tagesordnung, was natürlich nicht immer die beste Laune machte.
Ganz anders sah es bei den Offline-Aktivitäten aus, wo wir persönlichen Kontakt zu den Kindern hatten. Diese fanden ein bis zweimal die Woche für jede/n von uns statt, teils in Baia Mare und teils in umliegenden, ländlicheren Dörfern. Hierbei konnten wir uns zwei Stunden lang kreativ komplett austoben! Dank des vor Spielmaterial nur so protzenden „Storage Rooms“ im Office der Organisation, waren uns in puncto Vorbereitung keine Grenzen gesetzt und wir hatten die Möglichkeit, verschiedenste Spiele, Bastelprojekte, Tänze etc. mit den Kindern auszuprobieren, was allen Beteiligten immer sehr viel Spaß machte!
Ganz besonders während dieser Offline-Einheiten hatten wir die Gelegenheit, nicht nur voneinander, sondern auch von den Kinder zu lernen, spontan und flexibel zu sein, nicht alles so ernst zu nehmen und auch einfach mal Quatsch zu machen. 🙂
Was die jeweilige Vorbereitung der Aktivitäten anging – die lief ebenfalls größtenteils über hektische Diskussionen ein bis zwei Tage vorher via Facebook Messenger ab, was nicht immer so ideal war – vor allem, wenn man bedenkt, dass die Teams immer wechselten und die Arbeitshaltungen verschiedener europäischer Nationen dazukamen. 🙂
Die Organisation
Die AIST ist eine gemeinnützige Sprachschule, die den Fokus auf non-formale Bildung, also gezieltes und selbstgesteuertes Lernen außerhalb klassischer Bildungsinstitutionen legt. Mal abgesehen von einer Handvoll kreativen Lehrpersonen, besteht die Organisation aus einem Kernteam von fünf Personen. Und diese fünf Personen haben’s in sich! Für uns Freiwillige war (fast) immer klar, zu wem man mit welchem Anliegen hinmusste. Von Bürokratie-Kram über Gesundheitsfragen bis zu Hilfeleistung bei der Aktivitäten-Planung, grundsätzlich war für alles mindestens eine Ansprechperson da – wenn es auch manchmal von der Tageslaune abhing, welche Auskunft man bekam. J Corona hatte die Institution bitter getroffen, die Pandemie kostete sie einen Großteil ihrer Räumlichkeiten, weshalb auch wir Freiwilligen gebeten wurden, beim Umzug in ein kleineres Büro zu helfen und alle ab und zu ein wenig überfordert mit der Situation zu sein schienen. Trotz allem taten sie ihr Bestes, um das Projekt so gut wie möglich umzusetzen.
8 Nationen
Durch die beachtliche Zahl an Freiwilligen (13 international, 7 rumänisch), fand ich glücklicherweise auch sehr schnell Anschluss. Wir „internationals“ waren auf drei Wohnungen aufgeteilt und dadurch, dass wir uns außer bei den Offline-Tätigkeiten im Arbeitsalltag nur über den Bildschirm sahen, verbrachten wir umso mehr Zeit an den Abenden und Wochenenden zusammen. Von Sportsessions im Stadtpark über gemeinsame „lunch/dinner parties“ und Eurovision-Nights bis zu Wochenendausflügen zum Lacul Firiza oder nach Cluj – uns wurde nie langweilig und auch Corona verdarb uns (fast) nie die Stimmung. Durch die Vielfalt an Nationen (Tschechien, Portugal, Spanien, Litauen, Griechenland, Frankreich, Rumänien und Österreich), amüsierten wir uns gerne damit, die Sprachen (oder eher schmutzige Sätze…) der anderen zu lernen.J
Cultura românească
Zugegebenermaßen – der rumänischen Sprache mächtig wurde während dieser zwei Monate keiner von uns. Die Rumänisch-Stunden gingen in unserem Stundenplan leider ein wenig unter und mehr als das Nötigste war nicht drin. Umso mehr aber lernten wir, wie gut die meisten Rumänen Englisch können und wie freundlich und hilfsbereit die Menschen dort sind. Unter anderem veranstaltete AIST auch einen Trip durch die Region Maramureș, wo wir mit reichlich „sarmale“ (=traditionelle rumänische Krautrollen) gefüttert, mit „Palinka“ (=lebensgefährlich starker Schnaps aus Sauerkirschen) beschwipst und ein wenig Kulturgeschichte bereichert wurden. Für echte Insidertipps (wo gibt’s die beste Pizza in der Stadt und so weiter), waren unsere rumänischen Kollegen immer gerne zur Stelle.
Das Finale
Nach einem etwas distanzierten Abschied von AIST vor ihrem Office, mit Maske, wenigen Worten und vielen Fotos, hatten wir quasi noch eine Woche „Urlaub“ am Ende des Projekts zur Verfügung. Und was macht man mit so viel Zeit? – einen Roadtrip durch Transsilvanien (#stayathomeundso)! In unserem gemieteten Renault Megane cruisten wir (=meine zwei spanischen Mitbewohner, ein Mädchen aus Litauen und ich) also noch eine Woche lang durch die Heimat von Vlad Tepes aka Graf Dracula. Neben den wichtigsten Städten wie Brașov, Sibiu, Sighișoara, Bran und Peleș, … fuhren wir die Transfăgărășan Road ab, versteckten uns vor Bären in den wunderschön wilden Wäldern und wagten uns auf die Gipfel des Karpatenvorlandes auf 2500 Meter. Schlussendlich gelangten wir sogar bis ins etwas chaotische Bukarest.
Alles in allem: Es war ein seht intensiver, abwechslungs- und lehrreicher Sommer, mit einigen Ups und Downs, aber eine definitiv einmalige Erfahrung, die ich jedem empfehlen kann, der einfach mal was anderes machen will! Auch in zwei Monaten und mit Pandemie funktioniert ein unvergesslicher Freiwilligeneinsatz! 🙂
PS: Und pssst, hier noch ein Geheimnis: Wer nach einem Kurzzeiteinsatz über den ESK mehr will, hat die Möglichkeit, noch ein Langzeitprojekt von bis zu 12 Monaten zu machen! Oder man macht es so wie ich und überbrückt seine Wartezeit auf den Langzeiteinsatz mit einem kurzen, spontanen „Abstecher“. 🙂