Wenn man sich selbst ins kalte Wasser wirft oder: wie man erwachsen wird
Ich sitze in einem kleinen, blauen Caravan auf einem Bauernhof in der Nähe von Brüssel . Dass ich jetzt wirklich hier bin, habe ich noch nicht wirklich realisiert…
Die Idee, nach der Schule ins Ausland zu gehen, hatte ich schon länger. Der typische Schüler-Traum eben: die Welt sehen, neue Menschen kennen lernen und so weiter. das Praktikum, das ich mit 17 in Iirland absolvierte, verstärkte diesen Wunsch, widererwartend, sogar noch.
Als die Matura dann näher kam und ich immer noch keine Idee hatte, was ich „mit meinem Leben anfangen“ sollte, dachte ich zum ersten Mal ernsthaft darüber nach, diesen Traum in die Wirklichkeit umzusetzen. Am liebsten hätte ich einfach meinen Koffer gepackt und wäre losgegangen, irgendwo in den Süden. Da das dann doch ein wenig unsicher ist, von wegen Kosten und Schlafplatz und so, machte ich mich auf die Suche nach einer besseren Möglichkeit. und fand schließlich den EFD, den Europäischen Freiwilligen Dienst.
Man kann mit dem EFD bis zu einem Jahr ins Ausland gehen, als FreiwilligeR. Kost und Logis sind bezahlt, ein kleines Taschengeld gibt es noch dazu.
Nach unzähligen (unbeantworteten) Bewerbungen erhielt ich schließlich die Einladung zu einem Skype-Interview und schon am nächsten Tag die Zusage für dieses Projekt. Es sollte also auf einen Bauernhof gehen, in Belgien, ganz in der Nähe von Brüssel. Mit meiner Zusage habe ich mich dann selbst ins kalte Wasser geworfen. Ich hatte keine Ahnung was mich erwartet und irgendwie hat mir das auch gefallen: ich wollte mich testen, testen wie gut ich „alleine“ in der großen Welt überleben kann.
Jetzt sitze ich also hier, in meinem kleinen, blauen Caravan, der seit fast einer Woche mein neues Zuhause ist.
Zum ersten Mal wohne ich wirklich alleine. Ich wohne alleine in einem Ort, in dem ich die Sprache (flämisch) nicht verstehe und in dem ich niemanden kenne.
Und ich fühle mich wohl.
[Alissa bei ihrer Arbeit am Bauernhof in der Nähe von Brüssel]
Die ersten Flugversuche
Meine erste Woche hier verging „wie im Flug“ und hatte in mancher Hinsicht so gar nicht die Wirkung, die ich geplant hatte.
Natürlich, ich kenne jetzt die Menschen, die hier arbeiten. Ich habe einen groben Überblick darüber, was normalerweise so jeden Tag erledigt werden muss.
Aber der Plan war, dass der Anfang so schwer wie möglich sein sollte. Ich wollte gleich zu Beginn ordentlich geschockt werden, in meiner ersten Zeit im „Erwachsenenleben“. Und dann nach einer Eingewöhnungszeit erleichtert feststellen, dass es so schwer doch gar nicht ist.
Deshalb auch ein neues Land, eine neue Sprache, zum ersten Mal alleine wohnen und das alles auf einmal. Um „das Schlimmste“ gleich zu Beginn überstanden zu haben.
Aber so läuft es hier nicht. Ich habe mich gefasst gemacht auf extremes Heimweh, durchwachte Nächte und die Sorge darüber, wie schön es doch Zuhause wäre. Zu meiner Überraschung ist nichts davon eingetreten.
Natürlich, ich vermisse meine Familie.
Ich vermisse es, in der Nacht aufzustehen um meinen Kater zu füttern.
Ich vermisse es, morgens gemeinsam mit meiner Mama zu frühstücken.
Ich vermisse es, mit meiner Schwester streiten und Lachen zu können.
Ich vermisse es, dass ich bei einer Geschichte meines Papas am Ende den Anfang schon nicht mehr weiß, weil sie so lange und verzweigt war.
Ich vermisse es, am Nachmittag mit allen zusammen Kaffee zu trinken.
Ich vermisse es, abends darüber zu diskutieren, welche Musik laufen soll.
Ich vermisse es, mit meiner Mama Tee zu trinken und in Zeitungen zu blättern.
Ich vermisse es, dass abends jemand an mein Bett kommt und mir eine gute Nacht wünscht.
Ich vermisse das alles, und noch so viel mehr!
Aber es ist kein schlechtes Gefühl. Ich habe keine schlaflosen Nächte deswegen, sondern es ist eher so eine Vorfreude. Weil ich weiß, dass alles Zuhause auf mich wartet.
—————————————————————————————————————————————
>> Alissa hat selber einen Blog: schmierfink.simplesite.com
Auf unserem aha-Blog wird immer mal wieder ein interessanter Beitrag von Alissa zu lesen sein.
Danke für die Zusammenarbeit, Alissa!