AuslandESK-Freiwilligendienst

Über Poncha, Levadas und deutsche Touristen

Eine kleine portugiesische Insel im Atlantik, sechs Monate und unglaublich viel zu erzählen – ein kleines Resümee meines ESK-Freiwilligendienstes in Madeira.

Home abroad

Während meinem ESK-Freiwilligendienst wohnte ich im Studentenheim der Universität Madeira in der Hauptstadt Funchal. Ein Bett für mich allein, aber ein Zimmer mit drei anderen, eine Küche mit 60 anderen und drei Waschmaschinen mit dem ganzen Heim zu teilen, war anfangs ungewohnt. Ohne Rückzugsraum und Privatsphäre war es manchmal sehr anstrengend, meistens gefiel es mir aber mit so vielen verschiedenen Menschen zusammenzuleben. Es war immer etwas los, in der Küche konnte man um halb 9 Uhr abends schon von Weitem die Italiener diskutieren hören (alle anderen waren längst geflüchtet), man hatte immer jemanden zum Reden und war definitiv nie allein!
Den Luxus, direkt am Meer zu wohnen (eine Minute zum Strand), kannte ich als Vorarlbergerin zuvor nicht – inzwischen geht mir da schon etwas ab!

Durch das Zusammenleben vieler verschiedener Nationalitäten – nicht nur wir 20 Freiwillige aus ganz Europa, sondern auch Erasmusstudenten, internationale und heimische Studenten – entstanden viele internationale Freundschaften, die für mich das wichtigste meines Freiwilligendienstes waren. Wir unternahmen viel zusammen, feierten Geburtstage und Nächte bis zum Sonnenaufgang, beschwerten uns über die Arbeit und übers Wetter, mussten Putzpläne für unsere Zimmer ausarbeiten und motzten, wenn sie nicht eingehalten wurden. Wir kochten zusammen italienisches Risotto und österreichischen Apfelstrudel, wir lernten die Schimpfwörter verschiedenster Sprachen, weinten und lachten gemeinsam, planten internationale Dinner und einen Urlaub auf den Azoren.
All diese Menschen haben diese sechs Monate so besonders gemacht und der Abschied fiel daher umso schwerer.

Work work work (and take lots of coffee breaks)

Die meisten von uns Freiwilligen waren als Touristenguides beschäftigt. Konkret hieß das, dass ich zweistündige Touren in der Hauptstadt Funchal auf Deutsch und Englisch gab, die von (meist eher älteren) Touristen gebucht wurden. Es waren keine 0815-Führungen, sondern sogenannte „Walk-and-talk“-Touren in kleinen Gruppen, wobei wir so gut wie möglich auf die BesucherInnen eingehen konnten.

Und wie war das anfangs so, Dinge über eine Stadt zu erzählen, die ich selbst kaum kannte?
Gewöhnungsbedürftig und irgendwie komisch, ja – jedoch hatten wir ein Skript zum Lernen und begleiteten (im Idealfall 😉) einige Touren der anderen Freiwilligen, welche uns mit Tipps, Smalltalk-Themen und lustigen Geschichten aushalfen. Wir boten den Touristen nicht nur Informationen zur Geschichte und den Gebäuden, wir erzählten ihnen auch von der portugiesisch-madeirischen Kultur, empfahlen kulinarische Spezialitäten und versuchten, ihnen jegliche Fragen zu beantworten.
Wir Freiwillige arbeiteten entweder in Vormittags- oder Nachmittagsschichten zusammen und hatten es oft sehr lustig, verbrachten langweilige Stunden mit Quatschen und Wochenend-Planungen und den obligatorischen Kaffeepausen (Arbeiten geht in Portugal nicht ohne).  

Mit der Zeit lernte ich mit den verschiedenen Arten von Touristen umzugehen und hatte meistens sehr viel Spaß bei meinen Führungen, vor allem wenn „meine Touris“ dann so nett waren und mich auf einen Poncha oder einen Kaffee einluden.

Freizeit & Wochenende

Nachdem wir nicht wirklich viele Stunden pro Tag arbeiten mussten, hatten wir sehr viel Freizeit und nutzten diese auch aus. „Uf so nra klenna Insel kasch doch ne viel tua“, mag sich der ein oder andre von euch denken – aber Madeira beweist das Gegenteil. Die meisten unserer Wochenenden verbrachten wir mit Wandern, Campingtrips und Levadas (Madeiras Wege entlang von Wasserkanälen). Es gab immer wieder neue Routen zu entdecken, Berge zu erklimmen und unglaubliche Ausblicke zu genießen. Wenn man über die grünen Täler bis aufs tiefblaue Meer hinausblickt und dabei ein Pastel de Nata genießt, dann hat man jegliche Anstrengung und auch die mühsame Busfahrt (durchschnittlich mind. zwei Stunden) schnell vergessen.

Während meines ESK-Freiwilligendienstes entdeckte ich eine weitere Leidenschaft – das Surfen! Als Gruppe mit einigen ErasmusstudentInnen und auch ein paar Einheimischen hatten wir an unseren freien Tagen die Möglichkeit, in Porto da Cruz das Wellensurfen zu lernen. Definitiv nicht einfach am Anfang, man schluckt tausende Liter an Salzwasser und hat tagelangen Muskelkater, aber wenn man auf dem Board ins Meer hinauspaddelt, ist das alles schnell vergessen.

Ansonsten waren meine Wochenenden gefüllt mit Partys, Poncha-Bartouren, Baden, gemütlichen Filmabenden, gemeinsamem Kochen, Ausflügen rund um die Insel und zur Nebeninsel Porto Santo, Sunset-Boottrips, Campingabenteuern, portugiesischen Festen und Strandpicknicks.

Desculpa, não falo português!

Ja, auch nach einem halben Jahr auf Madeira würde ich immer noch sagen: „Sorry, ich spreche kein Portugiesisch!“ – leider. Ich muss zugeben, ich habe die Sprache etwas unterschätzt, sie ist gar nicht zu einfach zu erlernen, vor allem ohne Sprachkurs. Da wir auch für die Arbeit kein Portugiesisch brauchten und untereinander nur Englisch redeten, reichen meine Sprachkünste grad mal für die Basics. Verbessern konnte ich jedoch ganz klar mein Englisch (obviously, wenn man es 24/7 spricht) und auch unerwarteterweise mein Italienisch, dank Cristina (meiner Zimmermitbewohnerin) und meiner ganzen italienischen Famiglia.

So wenig ich die Sprache Portugals erlernte, so viel konnte ich aber über die Kultur des Landes erfahren. Madeira hat extrem viele Feste und Veranstaltungen, ob Blumenfest, brasilianischen Karneval oder Atlantikfestival und wir waren immer dabei. Auch kulinarisch hat die Insel einiges zu bieten, wobei man besonders bei Poncha, dem Nationalgetränk aus Zuckerrohrschnaps und Zitronensaft, Bolo do Caco und Pastel de Nata aufpassen muss – es macht süchtig! 😉

Returning home

Ich bin mit wenigen Erwartungen und Vorstellungen nach Portugal aufgebrochen, wollte einfach ins Ausland, nach der Schule mal was erleben – und bin mit so viel mehr zurückgekehrt. Unvergessliche Momente und wunderschöne Erinnerungen, internationale Freundschaften und viel Erfahrung fürs Leben, große Ziele und neu entdeckte Leidenschaften füllten mein Gepäck. Ich habe mich verändert, bin definitiv offener, selbstbewusster und selbstständiger geworden. Ich habe viel übers Leben, die Leute und mich selbst gelernt (klingt jetzt ziemlich kitschig!) und bin froh, dass ich die einmalige Chance genutzt habe, einen ESK-Freiwilligendienst zu machen. Natürlich war nicht alles perfekt, ich war nervös und ängstlich am Anfang, hatte auch weniger schöne und traurige Momente, Zweifel und Zukunftskrisen, aber das gehört dazu und man lernt daraus umso mehr.

Es war schön, zurück nach Österreich zu kommen, aber auch ein bisschen so, als ob man aus einem Traum aufwachen würde – einem Traum von Freiheit und Abenteuer auf einer kleinen portugiesischen Insel.