Als ich mich für einen ESK-Freiwilligendienst nach der Matura entschieden habe, hätte ich nie damit gerechnet, dass es mich nach Estland verschlagen würde. Doch nun, ein Jahr später, kann ich sagen, dass es die beste Entscheidung war, die ich treffen hätte können. Es gefiel mir sogar so gut, dass ich beschloss, einen Monat zu verlängern und somit meinen ESK-Freiwilligendienst für zehn Monate in der Hauptstadt Tallinn machte.
Mein Projekt war in einem Kindergarten für Kinder mit Beeinträchtigungen, wo ich dann in einer Gruppe für Kinder mit Autismus arbeitete. Zuerst war ich unsicher, da ich nicht viel über Autismus wusste, jedoch wurde mir alles erklärt. Somit lernte ich, dass die autistischen Kinder einen strukturierten Tagesplan haben, den sie jeden Morgen mit Piktogrammen an die Wand hängen und immer, wenn sie eine Aufgabe erledigt hatten, jenes Piktogramm herunternehmen. Anfangs wusste ich nicht so genau, wie ich auf ihr Verhalten reagieren und mit ihnen zusammenarbeiten sollte, doch es wurde mir genau erklärt. Mit der Zeit wurde es immer leichter für mich und ich fand die Bedürfnisse jedes der vier Kinder heraus, wodurch ich ihnen besser helfen konnte. Ich muss aber zugeben, dass es nicht immer leicht für mich war mit ihnen zu arbeiten, denn manche von ihnen hatten Aufmerksamkeitsprobleme, was beispielsweise bei Kunstprojekten viel Geduld erforderte. Allerdings habe ich durch diese Erfahrungen Geduld gewonnen und sehr viel Neues dazugelernt.
Da der Kindergarten, in dem ich mein Projekt machte, zusammen mit einer Schule im selben Gebäude war, war ich nicht die einzige Freiwillige dort. Zusammen mit zwei Mädchen und zwei Jungs organisierte ich immer wieder kleine Projekte für den Kindergarten und die Schule. Wir sangen und musizierten bei mehreren kleinen Festen und spielten den Kindern auch einmal ein Märchen vor. Ich war sehr froh, dass in dem Projekt so ein gutes Arbeitsklima herrschte und es des Öfteren kleine Feste gab, bei denen alle Angestellten zusammen Zeit verbrachten.
Doch nun zu meiner Freizeit, die ich größtenteils mit Reisen verbrachte. Zusammen mit ein paar anderen Freiwilligen reiste ich durch ganz Estland und besichtigte nicht nur viele Städte, sondern auch die Insel Saaremaa sowie den Nationalpark Lahemaa. Während den Reisen war ich jedes Mal aufs Neue von der atemberaubenden Landschaft und den schönen bunten Holzhäusern beeindruckt. Von Reiselust gepackt erkundete ich nicht nur Estland, sondern auch Lettland und Litauen und reiste auch in die Hauptstädte von Finnland, Schweden und Dänemark.
Nun möchte ich aber noch genauer auf die estnische Kultur und die Traditionen des Landes eingehen, denn neben dem Reisen verbrachte ich den Rest meiner Freizeit damit, mich mit der Kultur zu beschäftigen. Glücklicherweise war ich genau im richtigen Jahr nach Estland gereist, denn im Juli 2019 fand das Sängerfest und das Tanzfest statt, was sich nur alle fünf Jahre ereignet. Für die Esten und Estinnen haben diese Feste eine sehr große Bedeutung, denn das Singen hat sie in den dunklen Zeiten der Geschichte zusammengehalten und ihnen Hoffnung gespendet. Anfang Juli war es dann soweit, am Donnerstag und Freitag fand das Tanzfest und am Samstag und Sonntag das Sängerfest statt. Ich sah mir das Tanzfest am Freitagvormittag an und ich war mehr als nur beeindruckt. Die Tänze waren wunderschön und die Musik wurde live dazu gespielt. Ich hatte Gänsehaut während der ganzen Vorstellung und ich bin so glücklich, dass ich diese Erfahrung machen durfte, denn das werde ich nie wieder vergessen. Am Samstag gab es dann einen großen Umzug vom Freiheitsplatz zur Sängerbühne, wo anschließend ein ungefähr dreistündiges Eröffnungskonzert stattfand. Am Sonntag ereignete sich dann das sechsstündige Konzert, bei dem vom Kinderchor über Orchester bis zu gemischten Chören alle möglichen Zusammenstellungen auftraten. Gegen Ende sangen dann sogar alle Anwesenden auf dem Sängerfestplatz zu den Liedern mit, was mir wieder durchgehend eine Gänsehaut bereitete. Es war einfach atemberaubend schön und ich war so froh, dass ich noch Tickets dafür bekommen hatte und bei diesen Festlichkeiten dabei sein durfte.
Grundsätzlich kann ich also sagen, dass ich sehr dankbar dafür bin, diese Erfahrungen gemacht zu haben, denn ich habe sehr viel dazugelernt. Ich bin sehr froh diese Entscheidung getroffen zu haben und würde deshalb jedem den ESK-Freiwilligendienst weiterempfehlen.