Seit meiner ersten Reise mit 14 Jahren, zog es mich immer wieder in die Welt hinaus. Rückblickend fühlte es sich immer so an, als sei ich auf der Suche nach Etwas, doch ich wusste nie, nach was. Schon seit Jahren wollte ich einmal als Volontärin ins Ausland gehen. „Gutes tun und dabei ein neues Land, die Kultur und die Menschen dort kennenlernen“ – vermutlich einer der Grundgedanken der meisten VolontärInnen.
Im Sommer 2016 war es dann soweit. Ich machte mich auf den Weg nach Kenia. Es war mehr oder weniger „zufällig“, dass ich genau in diesem Kinderheim landete, denn ich hatte ursprünglich einen komplett anderen Plan für meine Sommerferien. In dem Kinderheim verbrachte ich acht Wochen. Neben der Mithilfe im Haushalt, putzen und kochen, galt meine Hauptaufgabe natürlich der Beschäftigung der Kinder. Hausaufgaben machen, spielen, singen, tanzen und „einfach“ für sie da sein. Die Situation im Heim war wirklich erschreckend – das Grundlegendste fehlte. Nahrungsmittel, genügend Betten, Kleidung, Schulgebühren, Hausmiete und hin und wieder sogar Strom und Wasser. Dennoch waren die Kinder glücklich und strahlten eine unbeschreibliche Zufriedenheit aus. Hätte ich damals die Wahl gehabt, ich wäre sofort in Kenia geblieben. Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, dass ich gefunden habe, wonach ich immer gesucht hatte.
Für mich war klar, ich würde auf jeden Fall wieder in das Heim zurückkehren und alles Mögliche tun, um die Leiterin zu unterstützen, damit sich die Situation verbessern würde. Doch alles kam ganz anders. Als ich wieder im Ländle war, wurden mir die Augen geöffnet …
„Zufällig“ lernte ich die ehemalige Hauptsponsorin vom Heim kennen, Julia. Sie erzählte mir die wahre Geschichte über die Leiterin und das Heim. Das Heim wird nur betrieben, um Geld zu verdienen, die Spenden werden in die eigene Familie investiert und die Leiterin hat absolut kein Interesse am Wohlbefinden der Kinder. Ich – naiv wie ich damals noch war – fiel aus allen Wolken, konnte und wollte es nicht glauben.
Julia tat sich mit zwei anderen ehemaligen Sponsorinnen zusammen und gemeinsam entschieden sie sich, ein neues Heim aufzubauen. Sie stellte mich den anderen Beiden vor und wir wurden gute Freundinnen. Julia wusste genau, wie viel mir die Kinder dort bedeuten und so fragte sie mich, ob ich mir vorstellen könne, für das neue Heim zu arbeiten. Ich musste keinen Augenblick überlegen und sagte sofort zu. Laut Plan sollte das neue Heim – NEW HEART WATOTO (ein Herz für Kinder) – im Juni 2017 eröffnen. Allerdings gab es immer wieder Komplikationen, besonders weil die Leiterin vom ersten Heim mit allen Mitteln verhindern wollte, dass das neue Heim eröffnet wird.
Im August 2017 kehrte ich nach Malindi zurück. Ich hatte meinen Job als Lehrerin gekündigt und hatte vor, für längere Zeit in Kenia zu bleiben. Da das neue Heim noch nicht eröffnet hatte, musste ich mir übergangsweise eine Alternative suchen. Xaver – mein Verwandter, der schon über 40 Jahre in Kenia lebt und dort als Missionar tätig ist – hat mir die Stelle im Small Home organisiert. Das Small Home ist ein Projekt für Kinder mit Behinderungen und wird von einer der drei Schwestern in seiner Pfarrei geleitet. Sie wusste von meinen Plänen und bot mir an, solange zu bleiben wie ich will. Schon nach kurzer Zeit war das Small Home auch mein „kleines Zuhause“ und ich fühlte mich mehr als wohl. Das Small Home kann man nicht mit anderen Kinderheimen vergleichen. Die Kinder haben alle Eltern und sind nur während der Schulzeit dort. Sie werden liebevoll betreut, bekommen die Möglichkeit die Schule zu besuchen und erhalten täglich ihre Therapie.
Neben meinen Tätigkeiten im Small Home verbrachte ich auch viel Zeit mit den Schwestern. Schon nach kurzer Zeit wusste ich, dass ich nicht „zufällig“ bei ihnen gelandet bin. Durch die Schwestern war es mir möglich, wirklich etwas zu bewirken. Sie wussten, wo Hilfe dringend gebraucht wird. Schwester Christine leitet das Small Home, Schwester Felistus ist Lehrerin an einer Grundschule und Schwester Margaret eine Sozialarbeiterin, die sich um die Armen und AIDS-Kranken kümmert, sowie einen Kindergarten für Kinder deren Eltern sich die Gebühren nicht leisten können, leitet. Dank der Spenden, hatte ich die Möglichkeit zu helfen. Die Schwestern „organisierten“ den Großteil und ich übernahm den finanziellen Teil. Es war beiden Seiten geholfen, denn ich hätte nichts ohne sie machen können und sie nichts ohne mich. Immer wieder durfte ich neue Menschen kennen lernen und ihre Dankbarkeit überwältigte mich. September und Oktober waren zwei unglaubliche Monate – ich durfte so viel Schönes erleben. Für mich hätte es ewig so weitergehen können.
Am 6. November erhielt ich einen überraschenden Anruf, dass ich mich am Nachmittag bei der Einwanderungsbehörde melden müsse. Ein Polizist wartete dort bereits auf mich und führte mich ins Büro. Ich wurde nach einer Arbeitsgenehmigung gefragt. Natürlich hatte ich keine, denn NORMALERWEISE kommen Volontäre mit einem Touristenvisum. Niemand interessiert sich, da Volontäre freiwillig arbeiten und Geld mitbringen. In meinem Fall jedoch war es anders. Die Leiterin vom ersten Heim hatte mittlerweile herausgefunden, dass ich vorhabe im neuen Heim zu arbeiten und sie musste „mitansehen“ wie sehr ich das Small Home und die Schwestern unterstütze. Außerdem hat es ihr gar nicht gepasst, dass ich einige ehemalige Kinder des Heims und deren Familien unterstütze. Der Beamte war sehr nett zu mir und erklärte mir, dass ich entweder als Touristin in Malindi bleiben könne (allerdings dürfe ich nicht mehr ins Small Home gehen und auch keine Projekte unterstützen) oder ich könne ein Arbeitsvisum beantragen (leider ist das mit dem Arbeitsvisum nicht ganz so einfach und es könnte sich über Monate hinwegziehen). In dem Moment wurde mir klar, dass ich vor Ort nicht mehr helfen kann.
Ich blieb noch weitere drei Wochen im Schwesternhaus, ehe ich mich schweren Herzens von den Kindern und meinen FreundInnen verabschieden musste. Die erste Zeit nach meiner Rückkehr ins Ländle war nicht gerade einfach. Obwohl ich den umgekehrten Kulturschock schon von meiner ersten Rückkehr kannte, traf es mich dieses Mal noch mehr. Es vergeht kein Tag, an dem meine Gedanken nicht in Kenia sind.
„Gib nie etwas auf, an das du jeden Tag denken musst.“
Neben meinem Job als Lehrerin bin ich immer noch mit Leib und Seele eine Volontärin – allerdings nicht vor Ort in Malindi, sondern in Mellau. An meinem Ziel „Kindern helfen“ hat sich nichts verändert. Was sich aber verändert hat, ist der Weg zum Ziel. Ursprünglich wollte ich den Kindern in den Heimen helfen und sogar in einem Kinderheim arbeiten. Heute kann ich mir das nicht mehr vorstellen. Durch die unglaublich gute Zusammenarbeit mit den Schwestern und Xaver kann ich auch von Zuhause aus helfen. Durch die Spenden, die wir bekommen, können wir bedürftige Familien mit Nahrungsmitteln, Schulgebühren, Uniformen und Arztkosten unterstützen. Auf diese Weise sind die Eltern nicht gezwungen, ihre Kinder in ein Heim zu geben.
Über meine Erlebnisse, unsere Projekte und die Kinder berichte ich auf www.missfieldsgoesafrica.com, sowie auf der Website des Small Home www.small-home-malindi.com.
Du bist immer noch am Lesen? Es freut mich wirklich sehr, dass ich dein Interesse wecken konnte und vielleicht hast du ja Lust, uns zu unterstützen 😊