Wie bereits erwähnt, habe ich viele verschiedene Länder besucht und zwischen meiner Abreise in Portugal und meiner Ankunft in Tschechien liegt eine beträchtliche Zeitspanne, in der ich Zeit hatte, mir darüber Gedanken zu machen, was ich mit dem Rest meines Lebens vorhabe. Ich hatte bereits eine Idee, was ich vielleicht studieren könnte, was mehr war, als ich je zuvor von mir behaupten konnte. Es war Ende November und obwohl ich schon fast zwei Monate unterwegs gewesen war, hatte ich noch nicht das Gefühl, dass es Zeit gewesen wäre, nach Hause zu fahren. Stattdessen hatte ich eine großartige Idee.
Tschechien. Das war meine Idee. Ich nahm kurzerhand den Zug von Wien (Zwischeninfo: Ich war von Lissabon nach Schottland/Glasgow geflogen, von dort weiter mit dem Zug nach Edinburgh und dann nach London gefahren. Von dort wiederum hatte ich ein Flugzeug nach Wien genommen) nach Brünn, der zweitgrößten Stadt des Landes und hatte dort erst einmal mit der Umrechnung von Euro in tschechische Kronen zu kämpfen. Das Sechsbettzimmer in meinem Hostel war, von mir einmal abgesehen, leer. Die Holzbetten in den Zimmern waren viel robuster als die, in denen ich jemals zuvor geschlafen hatte. Sie waren weder aus Eisen noch quietschten oder wackelten sie.
Es war kalt und ich hatte große Lust, mir die örtliche Kirche von innen anzusehen. Natürlich, da ich jede gute Aussicht schätze, beschloss ich kurzerhand auf den Glockenturm der Kirche hinauf zu steigen (nicht einfach so, natürlich war der öffentlich). Der Aufstieg bereitete mir auch keinerlei Probleme, oben angekommen (direkt unter der Glocke) genoss ich die Aussicht, machte das eine oder andere Foto und machte mich wegen des eiskalten Windes schnell wieder auf den Rückweg. Als ich also die Treppe hinunterstieg, schlug die Glocke zur vollen Stunde, womit ich absolut nicht gerechnet hatte. Natürlich nicht, denn wer würde denn meinen, dass in einem Glockenturm wirklich eine Glocke schlägt. Vor Schreck stolperte ich (wohlgemerkt über meine eigenen Füße) und sah in der Sekunde, in der ich fiel, bereits mein Leben an mir vorbeiziehen. Die Steinstufen waren weder besonders knie- noch ellbogenfreundlich und so kam es mir wie eine schmerzhafte Ewigkeit vor, bis ich mich, eher später als früher, am Geländer festhalten konnte.
Auf den Schreck aß ich anschließend einen Teller Gulasch mit Schwarzbrot. Der versüßte mir den Abend. Als ich ins Hostel zurückkehrte, hatte sich dort (zu meiner großen Enttäuschung, denn ich hätte lieber das ganze Zimmer für mich allein gehabt) ein quirliger Amerikaner mit ausgesprochen intensivem Haarschnittbedarf einquartiert. Er stellte sich als äußerst unterhaltsam heraus und wir unternahmen einen gemeinsamen Abstecher in eine kleine tschechische Bar.
Brünn war aufgrund seiner Größe schnell erkundet, also beschloss ich daraufhin Prag unsicher zumachen. Der Amerikaner (den ich leider noch nicht zu einem Haarschnitt überreden konnte) schloss sich meinem Plan an und gemeinsam nahmen wir einen Bus nach Prag (der wohlgemerkt 2 Euro für eine zweistündige Fahrt kostete und Tee bekamen wir gratis mit dazu).
Prag überstieg alle meine Erwartungen und ich war schlichtweg begeistert von einer Stadt, die man wohl als „Architekturlasagne“ bezeichnen könnte. Gebäude aus den verschiedensten Jahrhunderten in verschiedensten Stilen quer durcheinander gewürfelt, der größte Schlosskomplex Europas und eine wunderschöne Innenstadt. Hier besuchte ich nicht nur eine Free Walking Tour, sondern gleich zwei. Ich lernte Eva kennen, ein rumänisches Mädchen, das das Jahr nach seinem Abschluss für eine Reise durch ganz Europa nutzte und mir viel über ihr Zuhause erzählte.
Ich war nicht nur begeistert von Geschichte und Kultur, sondern natürlich auch vom Essen. Ich, als Blau- und Sauerkraut-Liebhaberin, als Knödel- und Spätzle-Fanatikerin war in diesem Land genau richtig. Und auch die Süßspeisen ließen nicht viel zu wünschen übrig: Honigkuchen, Hefeteiggebäcke, Baumkuchen mit Schokolade… Ich aß, anders als die meisten Touristen, nicht im Stadtzentrum, sondern viel lieber in Prag 2, also quasi im zweiten Bezirk der Stadt, wo es sich der Restaurantbesuch ein wenig anfühlte, wie eine Zeitreise in die Sowjetunion. Abgesehen von der Schwierigkeit, die Speisekarte nicht lesen zu können und sich mit der Kellnerin zu verständigen, war es eine sehr ausgefallene Erfahrung.
Der erste Schnee fiel und die Weihnachtsmärkte wurden aufgebaut, Christbäume geschmückt und die abendliche Weihnachtsbeleuchtung ließ die Stadt aussehen, als wäre sie mit Sternen bedeckt. Das waren die guten Seiten des Winters. Ich, im Gegensatz dazu fror, wie ich es selten zuvorgetan hatte (obwohl ich zwei Jacken übereinander trug) und damit hatte sich auch mein Wunsch erledigt, einmal Sibirien zu besuchen.
Auch hier wäre ich gerne länger geblieben, hätte noch mehr Stadtführungen gemacht, mehr gegessen und mehr Museen besucht. Deshalb plane ich, als zukünftige Studentin in Wien, Prag noch mindestens einmal zu besuchen.
aha-Tipp
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