Zwischen Kultur und tagespolitischen Problemen. Ein Lokalaugenschein aus Sarajevo.
Wer an europäische Reiseziele denkt, hat zu allererst Metropolen wie London, Paris und Berlin oder Inseln wie Mallorca im Kopf, doch niemand würde wohl eine osteuropäische Destination wie Sarajevo nennen. Ein Fehler! Die bosnische Hauptstadt verfügt nämlich nicht nur über wunderschöne Gässchen in der Altstadt, sondern auch über eine interessante Kultur und spannende Geschichte. Außerdem kann der Austausch mit der einheimischen Bevölkerung die Augen auf eine ganz neue Art und Weise für Probleme, die wir in Österreich nur entfernt kennen, öffnen.
„brain drain“
Im Oktober durfte ich eine Woche in Sarajevo verbringen, um an einem Projekt mitzuarbeiten, das der Vernetzung von Jugendlichen dienen soll. Gemeinsam mit SchülerInnen aus Deutschland, Rumänien und Bosnien wurden in erster Linie politische Themen diskutiert. Eines davon war „brain drain“, also die Abwanderung von hoch qualifizierten Fachkräften. Während wir uns in Österreich oder Deutschland gute Chancen für eine perspektivenreiche Zukunft ausrechen dürfen, sieht das besonders in einigen osteuropäischen Ländern ganz anders aus. Bosnien bildet dafür ein erschreckendes Beispiel. Die Jugendarbeitslosenquote bei den 15 bis 24-Jährigen lag dort 2018 bei 46,7 Prozent, 2015 waren es sogar noch 62,7 Prozent. Zum Vergleich: in Österreich sind nur 9,4 Prozent derselben Altersgruppe von dem Problem betroffen.
In Rumänien sehen die Zahlen zwar etwas besser aus, doch niemand von den Jugendlichen, die ich in Sarajevo getroffen habe, konnte sich vorstellen auch in Zukunft in Rumänien zu bleiben. Korruption in der Politik und eine sehr konservative Gesellschaft, mit der sich die junge Generation nicht identifizieren könne, waren häufig genannte Gründe. Dank unserer äußerst privilegierten Situation in Österreich sind dies Themen, mit denen wir uns viel zu wenig auseinandersetzen. Das in Kontakt treten mit Jugendlichen aus Ländern wie Bosnien oder Rumänien, öffnet einerseits die Augen für solche Themen und hilft andererseits dabei die hiesige Situation mehr wertzuschätzen.
Kultur und Kulinarik
Nicht nur deshalb lohnt sich ein Besuch in Sarajevo unbedingt, denn auch sonst hat die Stadt unglaublich viel zu bieten. In einem Tal eingekesselt, kann man beim Erkunden der Stadt den ein oder anderen Aussichtspunkt entdecken. Außerdem laden die vielen kleinen Gässchen der Altstadt ein sich im Zentrum Sarajevos zu verlieren oder in einem der vielen Cafés bosnischen Kaffee zu genießen. Auch wer Lust auf Kultur hat, wird garantiert nicht zu kurz kommen. Von Moscheen bis hin zu Museen kann man sich in Sarajevo regelrecht austoben. Wer Sarajevo kulinarisch kennenlernen möchte, darf sich über gefüllte Teigtaschen oder bosnische Süßigkeiten freuen, die dort im Vergleich zu Österreich extrem billig sind. Allgemein sind sämtliche Preise dort viel günstiger als bei uns, wer also beim Reisen nicht so viel Geld los werden will, hat bereits einen weiteren Pluspunkt von Sarajevo entdeckt.
Multikulturelle Erfahrungen
Die Liste der Sehenswürdigkeiten, aber leider auch die der tagespolitischen Probleme könnten noch lange weitergeführt werden. Hier habe ich nur Eindrücke von der Stadt und aus Gesprächen geschildert, die mir besonders imponiert haben. Bei der Reise ist mir nämlich zum einen klar geworden, wie viel uns junge Menschen verbindet, zum anderen aber auch die großen Unterschiede in den Lebensgrundlagen. Einmal mehr hat es mich darin bestärkt, was für wichtige Erfahrungen man macht, ist man schlicht offen genug für neue Bekanntschaften und Länder. Nicht zuletzt hat mich Sarajevo begeistert und ich kann nur jedem ans Herz legen sich selbst von der Schönheit dieser Stadt zu überzeugen.