So, hallo erstmal, ich bin Emilie, 20 Jahre alt und mache meinen ESK-Freiwilligendienst in einem Krankenhaus in Rheinland-Pfalz. Diesen mache ich berufsvorbreitend hier in Deutschland. 6 Monate bin ich schon hier und möchte dir ein bisschen was aus meinem Alltag erzählen.
Mit dem, was ich hier alles erlebt habe, könnte ich ein ganzes Buch schreiben, aber das würde den Rahmen etwas sprengen. Ich möchte damit beginnen, dass mein Freiwilligendienst mich nicht nur fachlich weiterbringt, sondern auch emotional reifen hat lassen. Ich bin an jeder meiner Aufgaben gewachsen und jeder Tag ist eine Lehreinheit. Ich könnte dir jetzt natürlich nur die schönen Erlebnisse erzählen, aber das wäre doch sehr einseitig. Ich werde davon erzählen, wie nah Freude und Leid beieinander liegen können.
Wie schön es doch ist, wenn dir eine demente Patientin erzählt, wie sie und ihr Mann sich kennengelernt haben, nur um festzustellen, dass dieser schon lange nicht mehr unter uns weilt. Wie herzzerreißend es doch ist, wenn ein Ehepartner bei seiner sterbenden Frau bleibt und ihr nicht von der Seite weicht. Wie nah einem solche Geschichten gehen, hatte ich ehrlicherweise unterschätzt.
Ich kann mich noch daran erinnern, als ich das erste Mal mit einem Verstorbenen gearbeitet habe. Nach dieser Schicht habe ich meine Mama unter Tränen angerufen und ihr gesagt, dass ich sie liebe und dass ich von ihr möchte, dass sie eine Patientenverfügung aufsetzt, für den Fall der Fälle. Aber das Leben geht weiter. So schlimm wie das klingt. Und falls du dich fragst, auf was für einer Station ich arbeite, ich arbeite auf einer Palliativstation. Aber keine Sorge, es ist nicht alles nur todernst. Jeden Tag gibt es mindestens eine Situation, in der gelacht wird.
Zurzeit haben wir einen Patienten, der schon länger bei uns ist und der es sich zur Aufgabe gemacht hat, mir den schlechtesten Witz des Tages zu erzählen. Das ist unser kleines Ritual, ich mache morgens so gut wie immer eine Runde durch die Zimmer, um die Betten zu machen. Bei dieser Runde erzählt er mir den Witz des Tages und ich ihm auch einen. Natürlich ist danach immer super Stimmung im Zimmer.
Meine Aufgaben entwickeln sich seit Tag eins und werden immer umfangreicher, was ich total gut finde, da ich sehr viel zu sehen bekomme und meine Kompetenzen ausweiten kann. Das selbstbestimmte Arbeiten habe ich hier zu schätzen gelernt. Mir wird genau so viel zugetraut, wie ich auch wirklich schaffe. Immer wenn mir eine neue Aufgabe zuteilwird, wird sichergegangen, dass ich wirklich auch diese schaffe und ich weiß, wenn ich mir diese selbst nicht zutraue, kann ich immer noch darum bitten, dass man mir das nochmal erklärt. Und ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist.
Mir graut es schon vor meinem letzten Dienst. Nicht, weil ich mein Zuhause nicht vermisse. Und glaub mir, ich vermisse mein Zuhause. Schrecklich sogar. Aber ich habe auch gelernt, dass „Zuhause“ ein Begriff ist, der so wenig mit einem Ort zu tun hat. Auf dieser Reise habe ich so viele tolle neue Menschen kennenlernen dürfen. Neue Fremde, die zu neuen Freunden wurden und mir die Reise so sehr erleichtert haben. Denn das Leben besteht nicht nur aus der Aufgabe, die man hat, sondern auch aus Erlebnissen und Menschen, die man liebt. Und ich glaube, langsam dämmert es mir, wie sehr diese Menschen mir ans Herz gewachsen sind. Wie gesagt, ich gehe gerne zur Arbeit. Aber ich weiß auch, dass ich an meinem letzten Arbeitstag nicht aus dem Bett kommen werde. Ich werde wahrscheinlich mit einem weinendem und einem lachenden Auge das letzte Mal die Station verlassen. Aber bis dahin habe ich noch ein wenig Zeit.
Wünscht mir Glück
Eure Emilie