Hallo und willkommen zurück. Du denkst dir sicher, warum „willkommen zurück“? Ich hab vor etwa 2 Monaten den Blogbeitrag „Interview mit Gabriel – 6 Monate Station 45“ verfasst – aber dieser Beitrag hier ist anders als sein Vorgänger, denn ich fasse die letzten 8 Monate zusammen.
Es ist so viel passiert, das hier reinpassen würde, aber ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mich bei den Teams der Station 45 zu bedanken. Ich bin nicht nur bei euch aufgenommen worden, sondern ich wurde Teil des Teams. Ich danke euch, dass ihr mir nicht nur die schönsten Seiten des Jobs gezeigt habt, sondern auch die schönsten Seiten von euch. Ich durfte euch real und ehrlich erleben. Ihr habt mir die reine Liebe gezeigt. Ihr habt mich Einfühlsamkeit, Hoffnung gelehrt sowie mit purem Willen für jemand anderen zu kämpfen. Für diese Erfahrungen, die ich an eurer Seite machen durfte, bin ich euch auf ewig dankbar.
So, ich möchte hier an meinen letzten Blogbeitrag anknüpfen. Meine letzten geplanten Arbeitstage verbrachte ich wirklich 24 Stunden auf der Station als Patientin, tja doof gelaufen. Ich hatte mir etwas eingefangen, das mich total ausgeknockt hatte und nach gut einer Woche steigendem Kränkeln mit 39 Grad Fieber seinen Höhepunkt fand. Aber ja, das Gehen und das Verabschieden tat weh. Die letzte Zigarettenpause, die ich mit dem Stationsarzt hatte, die riss einiges in mir auf. Das war auch der erste Moment, in dem ich wirklich realisierte, dass das Abenteuer Deutschland vorbei war. Ich hatte noch 2 Tage, um allen Auf Wiedersehen zu sagen. Als ich mein Zimmer so leer wieder sah, wie als an dem Tag als ich einzog, wusste ich, dass es wirklich vorbei war.
Ich ließ die die letzten 8 Monate noch einmal Revue passieren. Die Türe, die ich meinen Mitbewohnerinnen geöffnet hatte, und in der wir oft gestanden und geredet hatten. Das Bett erinnerte mich daran, wie ein guter Freund nach einer Feier verschlief. Auf dieser Party erzählten mir die amerikanischen Soldaten, wie sehr sie zuhause vermissten und ich konnte ihnen nur zustimmen. Dieser Moment zerriss mich. Ich konnte nicht in Worte fassen, wie tief ich ihren Schmerz mitempfinden konnte. Und doch, in der gleichen Sekunde, war ich so unfassbar glücklich über diese Zeit. Dass ich sie als neue Freunde in mein Leben aufnehmen durfte.
Auf meiner Fensterbank stand der Basilikumstrauch, den ich schon in der ersten Wohnung umgetopft hatte, und der es wie durch Wunderwerk überlebt hatte, ich muss ehrlich gestehen ich habe ihn dann in die Küche gebracht und hoffe immer noch, dass er überlebt. Auf dem Schreibtisch, auf dem normalerweise das pure Chaos herrschte, lag nur noch mein Schlüsselbund. Ich war sehr stolz auf einen kleinen Anhänger, den ich zu Nikolaus von der Stationsleitung bekommen hatte. Doch dieser Anhänger stand für meine Zeit auf der Station, für jeden Erfolg, für jede Träne und für jede Lektion. Und ja, ich wollte, dass diese Erfahrung niemals endet, doch jetzt sitze ich hier, und bin glücklich darüber, dass es passiert ist.
Ich schaue auf das Sofa, das vor der großen Fensterfront steht. Auf diesem Sofa habe ich 2 Monate lang jede Nacht geschlafen. Wie viele Tränen zwischen den Sofakissen versunken sind, das weiß ich nicht. Auf diesem Sofa ist so viel passiert. Ich habe Freunde getröstet, wurde selbst getröstet. Viele Stunden Netflix wurden auch geschaut. Gleich danach war die Fensterbank, die sonst immer mit Make-up bestückt war, leer und sauber. Es erinnerte mich an all die Abende, die ich mit Freunden oder alleine feiern war. An diesem Abend war ich das erste Mal in Mainz feiern. An der kleinen Ecke, wo früher Fotos hingen, starrte mich nun blankes Weiß an.
Ich öffnete nun die frisch geputzte Balkontüre und sah mich ein letztes Mal um. Idar-Oberstein war still, wenn auch nur für einen Moment. Ich ließ die Gespräche, die auf diesem Balkon vonstattengingen, noch einmal abspielen – die dummen Witze genauso wie den Herzschmerz. Nur noch ein Blick auf die Rilchenberg-Kaserne, die sich auf dem Berg so majestätisch ausbreitete. Ein letzter Blick. Bevor ich mein Zuhause auf Zeit verließ, setzte ich mich noch einmal auf die erste Treppenstufe, die Sonnenraum vom Schlafzimmer trennte, sah mir die Leere noch einmal an. Dabei lief „Miserable Man“ von David Kushner. Ich verbinde dieses Lied mit meiner Liebe. Aber dieses Lied ist für immer mit dieser Erinnerung verbunden. Vieleicht kullerten dabei ein paar Tränchen. Naja, danach ging es schnell. Ich verabschiedete mich von dem Bahnhof, an dem ich jeden Tag mindestens einmal vorbeiging. Und schon war da der Anfang vom Ende. Die Zugfahrt ging reibungslos. Als ich dann die Seebühne sah, lief wie bei jeder Heimreise „I am from Austria“ und ich glaub, ich könnte die berühmten Zeilen
Es war’n die Störche oft zu beneiden
Heit fliag i no, füh weiter fuat I siech die meist, nur von da weit’n
Wer kann versteh’n wia weh des monchmoi tuat
für beide meiner Heimaten benutzen.
Danke fürs Lesen
deine Emilie