Im Sommer 2022 wird es fünf Jahre her sein, dass ich meinen Auslandszivildienst in Bolivien angetreten habe und auch heute noch erinnere ich mich sehr gerne an dieses intensive Jahr zurück. Dass es nicht immer leicht ist, sich in einem fremden Land und einer neuen Kultur zurecht zu finden, ist selbstverständlich, heute würde ich sagen, dass es etwa sechs Monate gedauert hat, bis ich mich dort wirklich wohl gefühlt habe. Glücklicherweise hat mein Zivildienst dort 12 Monate gedauert, also war auch noch reichlich Zeit, um dieses schöne Gefühl auszukosten. Wenn man die Landessprache perfekt beherrscht, geht dieser Prozess vermutlich schneller. Ich würde aber allen, die auch vor der Entscheidung stehen, einen Freiwilligendienst im Ausland zu machen, empfehlen, wenn möglich ebenfalls ein Jahr dort zu verbringen.
Aber was habe ich eigentlich gemacht und wo ist „dort“ – in einem Land, das zehnmal so groß ist wie Österreich?
Meinen Auslandszivildienst habe ich in der kleinen Stadt San Ignacio de Velasco im Tiefland Boliviens geleistet und war dort als Lehrer im Computergrundkurs tätig. Zu den vielen Dingen, die ich dort gelernt habe, komme ich gleich, was ich aber noch erwähnen will, ist der Rückkehrschock, den ich nach meinem Auslandsaufenthalt erlebt habe. Bekanntlich ist ein Kulturschock möglich, wenn man in ein neues Land kommt, aber nach einem Jahr Bolivien war es auch ein Schock, wieder zurück nach Wien zu kommen. All die Erfahrungen und die neue Lebensweise, die ich dort kennenlernen durfte, waren den Zuhausegebliebenen fremd und alles war, als wäre nichts passiert.
Nach fünf Jahren habe ich mich natürlich wieder an die hiesigen Verhaltensweisen angepasst und das Gefühl von damals ist nur noch ein unscharfer Gedanke, der schwer zu fassen ist. Gerne versuche ich, mich aber daran zu erinnern und habe einige Dinge, die ich dort gelernt (und zum Teil eben leider auch wieder verlernt) habe, zusammengeschrieben.
In meinem Jahr in Bolivien habe ich zum Beispiel gelernt:
… dass Plastiksackerl auch noch zugeknotet werden können, obwohl sie schon komplett voll sind.
… dass der Montag frei sein sollte, wenn ein Feiertag auf das Wochenende davor gefallen ist.
… dass ich selten etwas besser weiß als andere Personen und das noch seltener auch sagen muss.
… dass es nur wenige Dinge im Leben gibt, über die es lohnt sich aufzuregen. Aber wenn, dann CARAJO!
… dass die Arbeit in der Früh auch warten kann, bis es aufgehört hat zu regnen.
… dass einige Dinge einfach mal gemacht werden müssen und man nicht ewig darüber nachdenken sollte -> Spontanität.
… dass man als Gastgeber eine Tischdecke zu drapieren hat.
… dass gemeinsam (!) getanzt werden muss. MUSS! Wirklich!
… dass Spaß nur selten von der perfekten Ausrüstung abhängig ist. (Basketballspielen in Flipflops, Angeln nur mit Nylonfaden und Haken…) (Beim Fallschirmspringen aber eher nicht zu empfehlen).
… dass beim Feiern von Festen fette Torten nicht fehlen dürfen und jemand eine Rede halten muss.
… dass der Perfektionismus, dem wir uns in Österreich oft unterwerfen, manchmal ziemlich anstrengend ist und teilweise auch eine echte Spaßbremse sein kann.
… dass es im Leben drei Dinge gibt, die wirklich wichtig sind: Salud, Dinero y Amor!
… dass eine Aufgabe nicht auch gleich zu erledigen ist. Erst beim dritten Mal Nachfragen oder so…
… dass Pünktlichkeit eine sehr subjektive Angelegenheit ist.
… dass zwischen 12:00 und 14:00 eine Siesta zu halten ist und man besser nicht in der Gegend herumgondelt.
… dass die Musik ohne Bedenken das komplette Wochenende (60h!) so laut aufgedreht werden kann wie erwünscht, weil es die Nachbarn genauso machen und sich im gegenseitigen Einverständnis niemand darüber aufregt.
… dass es wunderbar ist, das ganze Jahr draußen verbringen zu können, weil es dauernd warm ist, dass Jahreszeiten aber irgendwie auch ihren Reiz haben. (Sei bitte einmal glücklich, mit dem was du hast)
… dass alle Mangos, die ich in meinem vorherigen Leben gegessen habe eine Lüge waren.
… dass das Leben von mir nicht so ernst genommen werden muss.